Die AG Osthavelländische Kreisbahnen gründen sich
Die A.G. Osthavelländische Kreisbahnen wird gegründet
Um 1880 waren in Deutschland die meisten Haupteisenbahnlinien, die die großen Städte miteinander verbanden erbaut worden. Nun wurde der Ruf nach kleineren Nebenbahnen, die das ländliche Gebiet sowie kleinere Städte und Gemeinden an die Hauptbahnen anschließen sollten laut. Ab Mitte der 80ziger Jahre des 19. Jahrhunderts wurden diese Forderungen auch im Havelland westlich von Berlin und Spandau geäußert. Ende 1889 wurde in der Osthavelländischen Kreisstadt Nauen die am 28. Dezember 1888 gegründete und damals Europas größte Zuckerfabrik eröffnet. Da die Zuckerfabrik Nauen neben dem Anschluß an die Staatsbahn in Nauen auch über dem Wasserweg Ihre Rohstoffe und Erzeugnisse an- bzw. abfahren wollte, wurden erste Pläne einer Kleinbahn von Nauen nach Ketzin erdacht. Auch die Ketziner Stadtväter waren der Eisenbahn sowie dem Bau einer Hafenanlage sehr wohlgesonnen, so das am 10. Mai 1892 unter Führung des Landrates von Steinmeister und der Zuckerfabrik mehrere Interessenten den Beschluß zur Gründung einer Aktiengesellschaft Osthavelländische Kreisbahnen, kurz OHKB genannt fasten. Zur Gründung der Gesellschaft sollte ein Grundkapital von 700.000 Mark aufgebracht werden, dass sich auf die Städte Nauen und Ketzin, den Landkreis Osthavelland, der Zuckerfabrik Nauen und mehrerer privater Interressenten, darunter die Späthsche Baumschulen verteilten.
Kreis Osthavelland 250 000 Mark
Stadt Nauen 100 000 Mark
Stadt Ketzin 100 000 Mark
Zuckerfabrik Nauen 100 000 Mark
Zeichnung von Privatleuten 150 000 Mark
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zusammen 700 000 Mark
Am 28. Juli 1892 erließ der preußische Landtag das lang ersehnte Kleinbahngesetz, dass es erlaubte, Privatanschlußbahnen und Kleinbahnen in einer wesentlich leichterer Bauweise zu errichten und einen einfacheren Betrieb zu ermöglichen. Dieses war das Signal, um am 17. August 1892 die Aktiengesellschaft zu gründen. Nach längerer Prüfung erteilte der Regierungspräsident in Potsdam am 14. März 1893 die Konzession einer normalspurigen Kleinbahn für die Strecke Nauen – Ketzin und am 19. April 1893 wurde die Aktiengesellschaft in das Handelsregister des Amtsgericht Nauen eingetragen. Emfangsgebäude des Bahnhof Ketzin. Ausführungszeichnung vom Juni1892, Auftraggeber war die Lenz & Co GmbH aus Stettin, die im April 1893 mit den Bauarbeiten begann und den Bahnbetrieb vom 03. Oktober 1893 bis zum 01. April 1897 führte (Bild: AG-OHKB e.V.)
Die Kleinbahn Nauen-Ketzin
Mit der Eintragung in das Handelsregister begannen auch die Bauarbeiten an der Strecke. Den Grund und Boden für die Streckenführung hatten die meisten Anlieger und Gemeinden der OHKB unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die Aktionäre der OHKB hatten im voraus dem Eisenbahnbau- und Betriebsunternehmer Friedrich Lenz aus Stettin den Auftrag zur Errichtung der Kleinbahn erteilt. So konnte die Planung der Strecke noch in der Gründungsphase der OHKB erfolgen. Die Bauarbeiten selbst schritten zügig voran, zumal das Terrain keine Schwierigkeiten bereitete. Lediglich in Neugarten / Röthehof musste ein Brückenbauwerk zur Überquerung der Lehrter Bahn errichtet werden. Schon am 3. Oktober 1893 konnte der Binnengüterverkehr der Zuckerfabrik Nauen und der 1892 errichteten Zuckerfabrik in Ketzin eröffnet werden. Ab dem 1. November 1893 konnten Wagenladungen am Anschluss zur Hamburger Bahn in Nauen übergehen bzw. übernommen werden. Den öffentlichen Reise- und Güterverkehr nahm die OHKB am 13. Dezember 1893 auf. Kurze Zeit später konnte dann auch der Havelhafen in Ketzin in Betrieb genommen werden. Die Gesamtlänge der Kleinbahn betrug 17,22 Kilometer, die gesamte Gleislänge 25,02 Kilometer, die größte Steigung 1:90 und der kleinste Kurvenradius 200 m.
Bahnhof Ketzin 1904. Das Bild zeigt die B-gekuppelte Lok 1 oder 2 (erkennbar an dem Übergangssteg) am Bahnsteig in Richtung Ketzin Hafen mit einem Personenzug von Nauen kommend. Links das Empfangsgebäude nach der Erweiterung 1899. Rechts erkennt man die Seitenwand des Lokomotivschuppen. (Foto: AG-OHKB e.V.)
Die Betriebsführung der Kleinbahn übertrug die OHKB wiederum der Lenz & Co. GmbH aus Stettin. Diese beschaffte zur Betriebseröffnung zwei B-gekuppelte Dampflokomotiven von der Lokomotivfabrik Vulcan/Stettin nach Bauart Lenz a (siehe Fahrzeugbestand 9.0) mit der Betriebsnummer OHKB 1 und OHKB 2. Die Lokomotiven wurden in Ketzin stationiert, ferner wurden drei Personenwagen, drei Packwagen und 35 Güterwagen angeschafft. Schon 1894 musste eine weitere B-gekuppelte Dampflokomotive, Betriebsnummer OHKB 3, angeschafft werden, da der Verkehr alle Erwartungen der Gesellschaft übertraf. Alleine die Ketziner Ziegeleien und die Zuckerfrabrik Nauen sorgten für ein hohes Frachtaufkommen, so das im ersten vollen Geschäftsjahr 1894 insgesamt 78.000 Personen und 82.000 t an Güter auf der Kleinbahn transportiert wurden. 1896 wurde bei Röthehof ein Anschlußgleis zum Bahnhof Neugarten der Lehrter Bahn errichtet, womit eine Stammkapitalerhöhung auf 1,1 Millionen Mark einherging und der Landkreis Osthavelland damit zum Hauptaktionär wurde. Anfang 1897 begannen Überlegungen, die Kleinbahn in eigener Regie zu führen, da eine weitere Expansion der Gesellschaft nicht konform mit dem Betriebsführer Lenz & Co. liefen. Am 1. April 1897 löste man daher den Vertrag und richtete in Nauen eine eigene Betriebsverwaltung ein.
Weitere Projekte
Kurz nach der Übernahme der Betriebsführung entwickelte man mehrere Kleinbahnprojekte für das Havelland, darunter eine Verlängerung der Nauen-Ketziner Strecke nach Wildpark, von Nauen über Bötzow nach Velten, von Bötzow nach Spandau und von Spandau nach Cladow mit der Option einer Verlängerung nach Potsdam. 1898 wurden der Potsdamer Aufsichtsbehörde die Pläne einer Verlängerung von Ketzin nach Wildpark vorgelegt. Die Finanzierung dieses Projekt war bereits gesichert. Im laufe der Verhandlungen entschloß sich die preußische Staatsbahn jedoch, selbst eine Hauptbahn von Nauen über Wustermark nach Wildpark zu errichten. Dadurch konnten nun unter anderem die Züge seiner kaiserlichen Hoheit ohne Berechnung von Berlin direkt auf die Lehrter und Hamburger Bahn geleitet werden. 1904 wurde diese Strecke eröffnet und später nach Norden in Richtung Oranienburg und nach Süden in Richtung Jüterborg verlängert. Nachzutragen bleibt noch, dass die OHKB von dem Westhavelländischen Kreistag 1901 den Auftrag für den Bau und Betrieb zweier insgesamt 45,66 km langen Kleinbahnen von Röthehof über Roskow nach Brandenburg Krakauer Thor und von Roskow nach Brandenburg Altstadt erhielt (siehe Westhavelländische Kreisbahn 3.0) und diesen 1904 eröffnete.
Ein Dampflokomotivkuriosum
1899 bestellte die OHKB bei der Lokomotivfabrik Hagans den ersten C-Kuppler nach preußischer Normalie, um den gestiegenen Zugleistungen gerecht zu werden. Die Lokomotive wurde am 5. Januar 1900 ausgeliefert und mit der Betriebsnummer OHKB 4 versehen. Offensichtlich hatte die Lokomotive kurze Zeit nach Ihrer Indienststellung einen irreparablen Kesselschaden erlitten, den schon 1902 erwarb man von der Lokomotivfabrik Schwartzkopf einen C-Kuppler, der ursprünglich von den Berliner Gasanstalten für ihr neues Werk in Marienfelde bestellt worden war. Auch diese Lokomotive erhielt die Betriebsnummer OHKB 4. Anscheinend wurde die Haganslok abgestellt, später mit einen 1895 hergestellten Kessel von Hagans versehen, der die Nummer 501 trug und eigentlich für eine preußische T3 bestimmt war. Als nunmehr OHKB 5 muss die Lokomotive dann weiter bis mindestens 1926 im Bestand geführt worden sein. Leider existieren darüber keine Unterlagen.